Ludwig Hofmann
Ludwig Hofmann
Ludwig Hofmann (* 19. Juli 1912 in Elsenfeld; † 14. September 1979 in Bühl (Baden)) war deutscher Rekordflieger, Testpilot und Luftfahrtpionier.
Bereits im Alter von 16 Jahren nahm er die Ausbildung zum Segelflieger auf, drei Jahre später folgte die Motorflugausbildung. Seinen ersten großen Erfolg errang Hofmann 1934 als Gesamtsieger des Rhönwettbewerbs auf der Wasserkuppe. In den folgenden Jahren erflog er mehrere nationale, europäische und fünf Weltrekorde, darunter im Jahr 1935 einen Streckenweltrekord von 474 km Länge, mit dem er als erster Mensch die 400-km-Grenze durchbrach und den bestehenden Rekord um fast 100 km übertraf.
Im selben Jahr wurde er Streckensieger des 1. Internationalen Alpinen Segelflugwettbewerbs auf dem Jungfraujoch in der Schweiz. In Anerkennung seiner fliegerischen Leistungen im Jahr 1935 erhielt Ludwig Hofmann den neu geschaffenen Adolf-Hitler-Preis für Segelflug, den Nachfolger des Hindenburg-Pokals. 1936 gehörte er mit Hanna Reitsch, Otto Bräutigam und Heinz Huth zum deutschen Olympia-Team der Segelflieger und wurde 1937 bei der ersten Segelflugweltmeisterschaft hinter Heini Dittmar Vize-Weltmeister.
1937 wurde Hofmann zum Leiter der fliegerischen Erprobungsstelle in Trebbin ernannt. In dieser Funktion unterzog er nahezu alle deutschen Segelflugzeugmuster einer Flugeigenschaftsprüfung. Daneben zeichnete er für die fliegerischen Entwicklungsarbeiten des Schulgleiters SG 38 verantwortlich, der anschließend zum meistgebauten Schulungsflugzeug der Welt wurde.
Während des Zweiten Weltkriegs war Ludwig Hofmann als Testpilot für Hubschrauber und Düsenjäger tätig, blieb aber im Sinne des Nationalsozialismus weitgehend unpolitisch. Zunächst arbeitete er als Testpilot der Berliner Anton Flettner Werke. In dieser Funktion führte er 1940 und 1941 mehrere Erprobungsflüge mit dem Flettner Fl 265 durch, unter anderem landete er am 18. Juni 1941 auf einer Plattform des Panzerkreuzers Köln.
Am 31. Oktober 1941 vollführte Hofmann schließlich den Jungfernflug des Flettner Fl 282 Kolibri, des ersten einsatzfähigen Militärhubschraubers der Welt. In der Folgezeit führte er weltweit erstmals systematisch Trudelflüge mit einem Helikopter durch und absolvierte die ersten Decklandungen auf Schiffen bei voller Fahrt.
Am 27. April 1942 startete er innerhalb von nur 26 Minuten zwei Mal zu Höhenerprobungsflügen, bei denen er Höhen von 3.500 Meter und 3.800 Meter erreichte. Beide Flüge übertrafen den letzten vor dem Krieg aufgestellten Weltrekord von Karl Bode: 3.427 Meter, erflogen am 29. Januar 1939 mit einem Fw 61 V2.
Als im Frühsommer 1944 die deutsche Hubschrauberentwicklung zugunsten des sogenannten „Jägernotprogramms“ fast vollständig zum Erliegen kam, wurde Hofmann zum Geheimprojekt Bachem Ba 349 „Natter“ versetzt. Zunächst musste er bei Argus in Berlin die neuartigen Strahltriebwerke erproben, insbesondere das Pulsstrahltriebwerk As 014.
Hofmann war vorgesehen für den ersten bemannten Raketenstart der Welt. Er sollte den senkrecht startenden Abfangraketenjäger Ba 349 „Natter“ fliegen, eines der geheimen „Wunderwaffen“-Projekte des Dritten Reiches. Zur Vorbereitung sollte er zunächst wieder möglichst viel Flugpraxis auf Flächenflugzeugen erwerben, unter anderem auf dem Raketenflugzeug Messerschmitt Me 163 „Komet“ (allerdings nur im Schleppflug). Daneben gehörte das liegende Fliegen in umgebauten Flugzeugen zum Vorbereitungsprogramm.
Da die Ba 349 „Natter“ per Fallschirm verlassen werden musste, wurde der bekannte Fallschirmspringer Wilhelm Buss von der Erprobungsstelle Rechlin nach Berlin abkommandiert, um mit Hofmann ein intensives Fallschirm-Training zu absolvieren. Bei einem der Sprünge wurde Hofmann schwer verletzt. Er erlitt einen Schädelbasisbruch und verbrachte die nächsten Monate im Lazarett. Dieses Unglück rettete ihm jedoch das Leben. Nachdem mehrere Piloten die Aufgabe abgelehnt hatten, führte schließlich am 1. März 1945 Lothar Sieber den ersten bemannten Raketenstart der Welt auf der Schwäbischen Alb durch. Kurz nach dem Start explodierte die Rakete, Lothar Sieber überlebte das Unglück nicht.
Nach seiner Genesung wurde Hofmann Anfang 1945 zu Messerschmitt versetzt, wo er Hochgeschwindigkeitsflüge mit der Me 262 zu absolvieren hatte, dem ersten einsatzfähigen Düsenjäger der Welt. Untersucht werden sollte das sogenannte Mach-Abkippen. Mano Ziegler schreibt dazu: „Die Piloten stiegen auf 10.000 bis 12.000 Meter Höhe und steuerten mit voll laufenden Triebwerken in einen steilen Bahnneigungsflug und erreichten bei etwa 7.000 Metern Höhe eine Geschwindigkeit von etwa 950 km/h.“
Der Luftfahrthistoriker Manfred Jurleit schreibt über die besonderen Gefahren dieser Tätigkeit: „Zwischenfälle im Einflugbetrieb waren, wie in jedem Fertigungsbetrieb nicht selten. Doch beim Einfliegen der Me 262 passierten schon wegen der neuen Triebwerktechnik und der hohen Geschwindigkeiten mehr Unfälle als bei herkömmlichen Typen.“
Nach dem Kriegsende wurde er von der US Air Force zu Reparationsarbeiten beordert. Er war einer von zwei Messerschmitt-Piloten, denen die Aufgabe zukam, die sogenannten „Watson’s Whizzers“ auf der Me 262 zu schulen. Bei den „Watson’s Whizzers“ handelte es sich um eine Spezialeinheit der Air Technical Intelligence (ATI) der US Air Force, die unter Leitung von Colonel Harold E. Watson den Auftrag hatte, im besetzten Deutschland nach innovativer Flugzeugtechnologie zu suchen und diese sicherzustellen.
Besonderes Augenmerk legte die US Air Force auf den neuartigen Düsenjäger Me 262. Ludwig Hofmann und Karl Baur schulten die US-Piloten auf einer Zweisitzerausführung der Me 262. Dieses Flugzeug wurde von Hofmann von Lechfeld nach Melun bei Paris überführt. Zu Ehren von Hofmann gaben die Piloten der Watson’s Whizzers dieser bis heute erhaltenen Me 262 (Me 262 B-1a, Werknummer 110639, US-Nr. 555) den Namen „Willie“, was Hofmanns Spitzname bei den Amerikanern war, da sie „Ludwig“ nicht richtig aussprechen konnten. Wolfgang W.E. Samuel schreibt darüber: „By unanimous vote oft he Whizzers, Vera was rechristened Willie in honor of their ever jovial and story telling Messerschmitt test pilot, Ludwig Hoffmann (sic!). They had come to like Willie, and this was their way of saying, ‚Willie, you are one of us.’”
Diese Me 262 „Willie“ steht heute als Ausstellungsstück auf der Willow Grove Naval Air Station in Pennsylvania/USA. In den Jahren 1993 bis 2000 war dieses Flugzeug an das „Me 262 Project“ ausgeliehen worden, um für die Texas Airplane Factory als Muster für einen flugfähigen Nachbau des ersten einsatzfähigen Düsenjägers der Welt zu dienen. Diese Replika der Me 262 „Willie“ fliegen inzwischen.
Unter den von den Watson’s Whizzers erbeuteten Flugzeugen befand sich eine mit einer 50-mm-Bordkanone (Typ MK 214) ausgestattete Version, auf die Colonel Watson besonderen Wert legte. Bei der finalen Überführung der flugfähigen Me 262 nach Cherbourg sollte deshalb Hofmann diese Me 262 fliegen. Von Cherbourg sollten die erbeuteten Flugzeuge mit dem Flugzeugträger HMS Reaper schließlich in die USA verschifft werden.
Bei diesem letzten Flug am 30. Juni 1945 kam es zu einem fatalen Unfall als eines der Triebwerke plötzlich Feuer fing und der Düsenjäger bei einer Geschwindigkeit von 600 bis 700 km/h flugunfähig wurde. Hofmann musste aus der brennenden Me 262 per Schleudersitz aussteigen, was zahlreiche Handgriffe und ein kompliziertes Abrollen des Düsenjägers erforderte. Der Luftfahrthistoriker Manfred Jurleit schreibt, dass Hofmann der einzige Pilot sei, der jemals in einem Ernstfall aus einer brennenden Me 262 mit dem Fallschirm abgesprungen sei und überlebt hätte.
Der verantwortliche Leutnant Bob Strobell von den Watson’s Whizzers gab später zu Protokoll: „If that enginge had disintegrated on me or one of my guys, we would have never rolled the airplane upside down. We were no test pilots, Willie was. We weren’t even ready to think about doing something like that.“ Hofmann überlebte schwerverletzt. Dieser Flug war der letzte Flug eines deutschen Piloten mit der Me 262.
Nach seiner Genesung konnte Hofmann zu seiner Familie nach Blankensee (Trebbin) bei Berlin reisen. Der Plan, gemeinsam mit seiner Familie in die amerikanische Besatzungszone umzusiedeln, zerschlug sich, da Hofmann direkt nach seiner Ankunft von der russischen Verwaltung unter Hausarrest gestellt wurde. Auf Befehl der russischen Besatzungsmacht wurde Hofmann 1946 zum Junkers-Werk nach Dessau abgeordnet, um dort Reparationsarbeit als Testpilot zu leisten.
Im Oktober 1946 wurde Hofmann mit seiner Familie im Rahmen der Operation Oswakim mit etwa 2200 weiteren deutschen Technikern und Spezialisten der Luftfahrtindustrie in die Sowjetunion verschleppt, wo er weiterhin als Testpilot und Konstrukteur tätig sein musste. Hofmann wurde dem „Werk Nr. 1 des Ministeriums für Flugzeugindustrie“ (OKB 1) in Podberesje zugeordnet.
Acht Jahre lang wurde Hofmann in Russland festgehalten. Er musste unter anderem Erprobungsflüge mit dem bereits von Junkers projektierten Düsenjäger EF 126 und dem Versuchsjäger I-215 durchführen. Später war er Leiter des Statik-Labors des OKB 1 und musste als flugtechnischer Berater an der Entwicklung der EF 152 mitarbeiten.
1954 gelang Hofmann mit Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes die Flucht in die Bundesrepublik Deutschland. Er war zunächst als flugtechnischer Leiter der Deutschen Studiengemeinschaft Hubschrauber (DSH) tätig, bevor er für Bölkow und Heinkel Aufgaben als Testpilot und Konstrukteur übernahm.
1957/58 entwickelte er im Rahmen dieser Tätigkeit den Hubschraubertrainer „System Hofmann“, der als BO 102 von Bölkow in Kleinserie produziert wurde. Laut Angaben von Kyrill von Gersdorff kamen Exemplare des BO 102 bei der Pilotenausbildung der Bundeswehr, der französischen, der englischen, der spanischen, der italienischen und der jugoslawischen Armee zum Einsatz und blieben bis zum Ende der 1960er Jahre in Betrieb. „Der Urtrainer aus dem Jahre 1957 befindet sich noch im Firmenbesitz (heute der EADS), ein Heli-Trainer BO 102 B ist im Hubschrauber-Museum in Bückeburg ausgestellt.“
Im Jahr 1960 gründete er mit der “Ludhof-Technik GmbH” sein eigenes Unternehmen und entwickelte ein patentrechtlich geschütztes Verzurrgurt-System. Aus der aktiven Fliegerei zog er sich mehr und mehr zurück.